Veranstaltung: | Oktober-KMV Reinickendorf |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 2. Mobilitätskonzept |
Antragsteller*in: | AG Mobilität (dort beschlossen am: 04.10.2020) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.10.2020, 09:42 |
A1: Ein Grünes Mobilitätskonzept für Reinickendorf
Antragstext
Reinickendorf erstickt im Stau:
Verstopfte Durchgangsstraßen nicht nur zur Hauptverkehrszeit, Umfahrungen durch
Wohngebiete, zugeparkte U- und S-Bahnstationen in den Ortsteilzentren: Immer
mehr Autos verstopfen unseren Bezirk, belegen wertvolle Flächen im öffentlichen
Raum und nehmen die Luft zum Atmen.
Das CDU-geführte Bezirksamt setzt weiter auf die autogerechte Stadt: Die größten
Steigerungen im Bezirks-Haushalt und auch Sondermittel sind für Straßenbau
vorgesehen – für Autos, nicht für Fahrräder. Das lehnen wir ab.
Wir lösen den Stau auf:
Nicht nur wir Grünen wissen: Wer mehr Autostraßen baut, wird noch mehr
Autoverkehr ernten. Wer die Augen öffnet, sieht, dass die zunehmenden
Mobilitätsbedürfnisse in der wachsenden Stadt nicht mit noch mehr Kfz-Verkehr
bewältigt werden können. Dafür fehlt schlicht der Platz. Wir brauchen
intelligentere und vor allem effizientere Lösungen, um auf den begrenzten
Flächen allen Menschen eine komfortable, schnelle, sichere und bezahlbare
Mobilität zu ermöglichen. Dafür wollen wir den Vorrang des Umweltverbundes aus
ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr auch in Reinickendorf umsetzen. Und wir möchten
unsere Straßen zurückerobern als öffentlichen Raum für alle: für Kinder, Ältere,
Fahrrad- und Fußverkehr, als Orte der Begegnung mit Aufenthaltsqualität und ohne
Bedrohung für Leib und Leben.
Konsequenter Klimaschutz:
Gerade im Verkehrssektor gibt es für den Klimaschutz noch viel zu tun. Trotz
aller Klimaziele und Ankündigungen auf allen Ebenen sind die
Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor in den letzten Jahren nicht gesunken.
Für die Ebene der Bezirkspolitik aber gilt: In keinem anderen Politikfeld können
wir auf lokaler Ebene für den Klimaschutz so viel erreichen wie im
Straßenverkehr. Wir müssen nur den Spielraum ausnutzen, den wir für
Reinickendorf haben.
Wir Grünen in Reinickendorf verstehen uns als Alternative zum derzeit CDU-
geführten Bezirksamt und möchten die Verkehrspolitik für unseren Bezirk deutlich
umsteuern. Deshalb haben wir mit internen und externen Expert*innen
ein integriertes Mobilitätskonzept für den Bezirk Reinickendorf erarbeitet.
Im Zusammenspiel der folgenden Punkte wollen wir die Mobilitätswende in
Reinickendorf erreichen:
- Regionalverkehr auf die Schiene bringen
Reinickendorf ist der einzige Bezirk, durch den aktuell kein schienengebundener
Regionalverkehr verläuft. Pendler*innen aus dem angrenzenden Umland haben daher
kaum ein attraktives Angebot nach Berlin zur Arbeit zu kommen, ohne mit dem Auto
durch Reinickendorf zu fahren. A111 und B96 sind regelmäßig zu gestaut.
Dabei führen zwei stillgelegte Bahn-Strecken durch den Bezirk, parallel zu den
Haupteinfallstraßen: Die Kremmener Bahn (Strecke Gesundbrunnen-Tegel-
Hennigsdorf) und die Nordbahn (Strecke Gesundbrunnen-Wittenau-Oranienburg).
Diese Bahnlinien müssen ebenso wie die Heidekrautbahn zügig reaktiviert werden.
Nur so können wir Reinickendorf vom Auto-Verkehr der Pendler*innen entlasten.
Wir fordern: Der Bezirk Reinickendorf soll das Schienen-Infrastrukturprojekt
i2030 der Bundesländer Berlin und Brandenburg zusammen mit der Deutschen Bahn
aktiv unterstützen, das den schienengebundenen Umlandverkehr deutlich verbessern
wird. Hierzu gehört auch der zügige zweigleisige Ausbau der S 25 bis
Hennigsdorf, um einen zuverlässigen 10/5-Minuten-Takt zu ermöglichen.
Wir fordern, dass auch der Wiederaufbau der Nordbahn für den Regionalverkehr mit
hoher Priorität in das Projekt i2030 mit aufgenommen wird.
- U-Bahn, Tram und Regionalverkehr zusammen denken: Schienenanschluss für
das Märkische Viertel
Die wachsende Stadt braucht auch ein wachsendes Schnellbahnnetz aus U- und S-
Bahnen sowie der Straßenbahn. Nur mit dem zügigen Ausbau des elektrischen
Schienenverkehrs, der zunehmend den Einsatz von Bussen ersetzt, kann die
Mobilitätswende auch in Reinickendorf gelingen.
CDU und SPD fordern seit langem die Verlängerung der U8 ins Märkische Viertel.
Aber in der Regierung haben sie dafür nichts getan. Erst unter einer Grünen
Verkehrssenatorin wurde eine Machbarkeitsstudie erstellt. Aber machen wir uns
nichts vor: die Umsetzung wird frühestens Ende der 2030er Jahre möglich sein.
Wir Grünen haben immer die Verlängerung der Tram M1 von Rosenthal nach Wittenau
und dann weiter zum Kurt-Schumacher-Platz gefordert. Dies wäre kostengünstiger
und auch schneller zu verwirklichen gewesen.
Mit dem nun beginnenden Wiederaufbau der Heidekrautbahn hat sich die Situation
verändert: Eine ebenerdige Kreuzung mit der Tram ist nicht möglich. Und für die
U-Bahn muss der Endpunkt neu überlegt werden: Soll auch der nördliche Teil des
Senftenberger Rings erschlossen werden? Oder soll die U8 besser am Wilhelmsruher
Damm mit der Heidekrautbahn verknüpft werden?
Die Heidekrautbahn wird das Märkische Viertel nur am östlichen Rand mit einem
Haltepunkt am Wilhelmsruher Damm erschließen. Da sie nur eingleisig gebaut wird,
ist maximal ein Halbstundentakt möglich. Voraussichtlich wird sie ab 2024 nur
einmal pro Stunde fahren und bis 2030 auch nur bis Wilhelmsruh. Da sie ebenerdig
nicht nur Straßen, sondern auch viele Fahrrad- und Fußwege kreuzt, wird sie nur
mit geringer Geschwindigkeit fahren können. Im Hinblick auf ein attraktives
Angebot kann das nicht das letzte Wort sein.
Das gibt uns die Möglichkeit, noch einmal neu über ganzheitliche Lösungen
nachzudenken.
U-Bahn und Tram sind kein Gegensatz. Wir wollen beides!
Dafür muss man sie zusammen denken.
Die Tram sollte auf jeden Fall auf eigenem Gleiskörper fahren, damit sie nicht
im Autostau steckenbleibt, sondern eine attraktive und schnellere Alternative
bietet. Zur genauen Trassenführung sollten auch Alternativen zum Wilhelmsruher
Damm geprüft werden. Entscheidend ist, dass die Tram die U8 sinnvoll ergänzt und
möglichst viele Menschen zum Umstieg erreicht.
Eine Weiterführung der Tram über die Ollenhauerstraße zum Kurt-Schumacher-Platz
und weiter verknüpft die U8 mit der U6 und der U7, kann viele parallel fahrende
Buslinien durch ein komfortableres, schnelleres und klimafreundlicheres Angebot
ersetzen und damit die Straße entlasten.
So kann ein attraktives Angebot geschaffen werden, das kurze Reisezeiten bietet,
wirklich das gesamte Märkische Viertel erschließt und auch mit der
Heidekrautbahn verknüpft wird.
Der Endpunkt der U8 und die Trassenführung der Tram sollen durch ein Gutachten
festgelegt werden, das den größtmöglichen verkehrlichen Nutzen bestimmt. Ziel
muss sein, dass sich U-Bahn und Tram mit der Heidekrautbahn sinnvoll ergänzen,
attraktive Verknüpfungen entstehen und möglichst viele Bewohner*innen des
Märkischen Viertels einen Schienenanschluss in fußläufiger Entfernung erhalten.
Dazu muss auch über einen weiteren Ausbau der Heidekrautbahn nachgedacht werden:
Um einen attraktiven Takt zu bieten, müsste die Heidekrautbahn zweigleisig sein.
Und für kürzere Reisezeiten müsste sie kreuzungsfrei teilweise in Hochlage
ausgebaut werden. So wäre dann eine Kreuzung mit der Tram möglich. Und auch die
vielen Rad- und Fußwege über den ehemaligen Mauerstreifen können dann gefahrlos
queren.
- Busse beschleunigen und zuverlässiger machen
Wir wollen den öffentlichen Busverkehr schneller und vor allem zuverlässiger
machen. Es darf nicht sein, dass sich Busse mehr als eine halbe Stunde verspäten
oder ganz ausfallen, weil sie im Stau stecken bleiben oder durch Engstellen
oderabgestellte Autos behindert werden.
Wir fordern, dass überall dort, wo Buslinien verkehren, ausreichend Platz für
deren ungehinderte Fahrt geschaffen wird. Wo das bisher nicht der Fall ist, soll
das Parken am Straßenrand zumindest während der Hauptverkehrszeiten oder
tagsüber eingeschränkt werden. Dies gilt insbesondere in Straßen, wo sich Busse
derzeit nur mühsam begegnen können. Beispiele dafür sind der Dannenwalder Weg im
Märkischen Viertel, die Burgfrauenstraße in Hermsdorf oder die Auguste Viktoria
Allee in Reinickendorf West.
Wir fordern darüber hinaus auf allen Straßen mit zwei oder mehr Fahrspuren pro
Richtung die Einrichtung von Busspuren, sofern dort Busverkehr besteht. Diese
Busspuren können je nach örtlichem Bedarf teilweise nachts für das
Anliegerparken freigegeben werden.
Grundsätzlich gilt: Je länger eine Buslinie, desto anfälliger ist sie für
Verspätungen und Ausfälle. Wir plädieren dafür, dass Busse als Zubringer zum
schienengebundenen ÖPNV deutlich kürzere Strecken bedienen und dadurch auch
pünktlicher werden.
Aus Klima- und Umweltschutzgründen begrüßen wir, dass auf Grüne Initiative hin
die BVG ihre gesamte Busflotte bis 2030 auf E-Busse umstellt. Und wir freuen uns
darauf, dass wir so auch in Reinickendorf von Lärm und Abgasen entlastet werden.
- Fahrradnetz und sichere Fahrbahnen für Radfahrende
Selbst in Reinickendorf werden gelegentlich hier und da Fahrradwege gebaut. Sie
entsprechen aber meist nicht den Anforderungen des Berliner Mobilitätsgesetzes,
sind nicht sicher, enden oft vor der Kreuzung, wo man sie besonders braucht, und
ergeben auch kein Netz. Was Fahrradfreundlichkeit angeht, ist Reinickendorf
absolutes Schlusslicht in Berlin.
Keine Reinickendorferin, kein Reinickendorfer sollte ein Held sein müssen, um in
unserem Bezirk Fahrrad zu fahren. Deshalb möchten wir sichere
Radverkehrsanlagen, damit wirklich alle, insbesondere auch Kinder und Ältere,
sich zurecht sicher fühlen können, wenn sie ihre Wege durch den Bezirk mit dem
Fahrrad zurücklegen. Fahrradverkehr braucht ein durchgängiges Netz ohne Lücken,
um auch mit dem Fahrrad sicher und komfortabel von A nach B zu kommen. Das Rad
muss fester Bestandteil der Alltagsmobilität in Reinickendorf werden.
Das Berliner Mobilitätsgesetz schreibt sichere Radverkehrsanlagen an allen
Hauptverkehrsstraßen vor, außerdem ein Vorrangnetz, das auch auf Nebenstraßen,
Fahrradstraßen und Sonderwegen verlaufen kann und überall im Bezirk in
zumutbarer Entfernung erreichbar ist. „Vorrang“ ist hier in doppeltem Sinne zu
verstehen: Die Gestaltung des Straßenraums soll sich vorrangig an den
Bedürfnissen des Fahrradverkehrs orientieren und die Planung und Umsetzung soll
vorrangig geschehen.
Die Grünen in Reinickendorf haben bereits 2016 ein Konzept für ein bezirkliches
Radnetz Reinickendorf vorgelegt, das heute so aktuell ist wie vor fünf Jahren.
Kern ist ein „Dreieck“ sicherer, attraktiver Radverkehrsanlagen zwischen den
bezirklichen Oberzentren Kurt-Schumacher-Platz, Tegel und Märkisches Zentrum.
Dies ist auch weitgehend eingeflossen in den Vorschlag der Verkehrs- und
Umweltverbände für ein Radnetz Berlin.
Die im Auftrag des Bezirksamts erfolgte Machbarkeitsstudie gibt wertvolle
Hinweise zum Bau von Radverkehrsanlagen. Aber sie hat in Bezug auf die
Netzwirkung methodische Schwächen, auf die auch die Autoren hinweisen: Die
Routen wurden vorab politisch festgelegt, anstatt den tatsächlichen Bedarf zu
erheben. Entsprechend erfolgt auch keine Einordnung in ein bezirksübergreifendes
Radnetz Berlin, auch wenn einzelne Routen das Potenzial dazu haben.
Wir fordern: Das von den Verbänden vorgeschlagene Netz muss nun auch in
Reinickendorf mit absolutem Vorrang vorangetrieben werden, um ausgehend von dem
zentralen „Dreieck“ den gesamten Bezirk mit einem durchgängigen Fahrrad-
Vorrangnetz zu erschließen. Die vorgesehenen Routen müssen bei anderen
Baumaßnahmen, wie z.B. auch der Heidekrautbahn, offengehalten werden.
Das aktuelle Bezirksamt lehnt jegliche kurzfristigen Verbesserungen für den
Fahrradverkehr vehement ab.
Wir fordern, dass überall dort, wo der Platz vorhanden ist, Kfz-Fahrbahnen oder
Kfz-Parkstreifen unverzüglich in geschützte Radstreifen umgewidmet werden.
Temporäre Radverkehrsanlagen sind ein gutes Mittel zur Erprobung, bevor sie
baulich verstetigt werden. Dies betrifft insbesondere die Berliner Straße in
Tegel, die Ollenhauer Straße bis zur S-Bahn-Brücke, die Scharnweberstraße und
die Heiligenseestraße (Waldbereich).
Im Umfeld von Grundschulen muss der Kfz-Verkehr generell, aber insbesondere in
Form von „Eltern-Taxen“ zu Gunsten Rad fahrender Schüler*innen zurückgedrängt
werden. Hierfür fordern wir ein absolutes Halteverbot in einem angemessenen
Bereich vor dem jeweiligen Schultor zu Schulanfangs- und -endzeiten (Beispiel
Kopenhagen).
Die Ermöglichung des Radverkehrs für Grundschüler*innen und darüber hinaus eines
flächenmäßigen Kiezradverkehrs muss über allgemeine Verkehrsberuhigung der Kieze
und stellenweise Fahrbahnumgestaltung erreicht werden.
- Fußverkehr und Urbane Plätze mit Aufenthaltsqualität
Fußverkehr wird oft an den Rand gedrängt und erhält den Platz, der übrig bleibt.
Dabei sind wir alle Fußgänger*innen, und sei es nur auf dem Weg von der
Wohnungstür bis zur nächsten Haltestelle.
Fußverkehr ist die langsamste und auch verletzlichste Verkehrsart des
Umweltverbundes. Nötig sind daher sichere, kurze und direkte Wege unter
Vermeidung jeglicher Umwege.
Straßen dürfen für den Fußverkehr vor allem in Ortsteilzentren keine Barrieren
sein, die zu weiten Umwegen zwingen, sondern brauchen in kurzen Abständen
sichere Querungsmöglichkeiten (Fußgängerampel, Zebrastreifen, Mittelinsel,
Gehwegvorstreckung, … ). Zu viele Unfälle mit Fußgänger*innen geschehen, weil
der Umweg bis zur nächsten Ampel zu weit erscheint. Drängelgitter oder Zäune auf
Mittelstreifen sind hier keine Lösung, da sie zu Umwegen zwingen sollen.
Damit alle Menschen und insbesondere solche mit Rollator, Rollstuhl oder
Kinderwagen barrierefrei vorankommen können, muss hier besondere Vorsorge
getroffen werden. Vor allem in den Randbereichen Reinickendorfs müssen viele
Bürgersteige gepflastert und Bordsteinkanten an Straßenkreuzungen sowie an
Kreuzungen von Wegen mit Straßen abgesenkt werden. Zudem muss durch bauliche
Maßnahmen zuverlässig verhindert werden, dass die Kreuzungs-Bereiche zugeparkt
werden.
Darüber hinaus wünschen wir uns für die Zentren der Ortsteile eine
Verkehrsberuhigung in Form von Verkehrsräumen, in denen der Fußverkehr Vorrang
hat. Das kann auch eine Fußgängerzone sein. Parken für Autos soll hier auf
ausgewiesenen Flächen auf das Halten zum Ein- und Aussteigen sowie Be- und
Entladen begrenzt werden.
Wir fordern, dass auf der Basis des Berliner Mobilitätsgesetzes mindestens ein
größeres Fußverkehrsprojekt in Reinickendorf in spätestens fünf Jahren
verwirklicht wird. Von zentralem Interesse wäre z.B. die fuß- und
radverkehrsfreundliche Umgestaltung der Berliner Straße in Tegel von der
Humboldt-Bibliothek bis zu den Borsighallen mit breiteren Gehwegen,
Radfahrstreifen, Sitzgelegenheiten und mehr Querungsmöglichkeiten. Ein Vorbild,
das weiterentwickelt und angepasst werden könnte, wäre die Schloßstraße in
Steglitz.
Darüber hinaus streben wir im Zusammenhang mit der Nachnutzung des TXL-Geländes
und dessen Verkehrsanbindungen die Umgestaltung des Kurt-Schumacher-Platzes zu
einem urbanen, verkehrsberuhigten Platz mit Aufenthaltsqualität für Menschen an.
Autos sollen dann im Zuge dieser Umgestaltung weiträumig um den Platz
herumgeführt werden, Verkehre des Umweltverbundes aber weiter möglich bleiben.
- Neue Mobilitätsdienstleistungen
Carsharing, Bikesharing, E-Roller, Poolingdienste: In Berlin sind in den letzten
Jahren viele neue Mobilitätsangebote entstanden. Aber sie erreichen nicht die
Außenbezirke, auch nicht Reinickendorf. Dabei ist gerade in den Außenbezirken
der Besitz privater Autos pro Haushalt am höchsten, Reinickendorf ist hier der
Spitzenreiter in Berlin. Viele private Autobesitzer*innen würden gerne ihr Auto
abschaffen, wenn es nur wirklich verlässliche Alternativen gäbe.
In Außenbereichen mit geringerer Bevölkerungsdichte sollten Sharing-Angebote
stationsbasiert sein, damit das Angebot verlässlich und auffindbar zur Verfügung
steht. Das gilt für Carsharing wie auch für Bikesharing. Dazu gehören
Mobilitätsstationen an U- und S-Bahnhöfen. Zentral sind zuverlässige
Sharingangebote in den Wohngebieten, die von überall in zumutbarer Entfernung
erreicht werden können.
Für die Außenbereiche wie Frohnau, Hermsdorf, Heiligensee, Konradshöhe oder
Lübars sollte ein Rufbussystem entstehen, um verlässlich und sicher zu allen
Tages- und Nachtzeiten von den U- und S-Bahnhöfen sicher nachhause zu kommen.
Pooling- und Sharingdienste funktionieren besser in stärker verdichteten
Gebieten. Eine Stadtplanung für höhere Verdichtung hat also auch durchaus
positive Aspekte hinsichtlich effizienterer Flächennutzung und für bessere
Mobilitätsangebote. Eine stärkere Vermischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit
dient auch der Stadt der kurzen Wege.
Wir fordern: Die Geschäftsgebiete der Sharing- und Pooling-Anbieter müssen auf
die ganze Stadt ausgeweitet werden, ein Angebot von Sharing-Fahrzeugen muss in
allen Ortsteilen jederzeit verlässlich verfügbar sein. Gleichzeitig müssen
ausgewiesene Abstellflächen für Sharing-Angebote geschaffen werden, damit die
Fahrzeuge nicht die Gehwege blockieren.
- Elektromobilität
Elektromobilität kann in Reinickendorf einen wichtigen Beitrag zum Klima- und
Umweltschutz leisten. Aber auch private E-Pkw stehen im Stau, nehmen Parkraum
ein und machen Lärm. Zudem haben Elektro-Pkw mit großdimensionierten Batterien
eine ungewisse Klima- und Umweltbilanz. Der Elektro-Pkw kann somit nicht die
alleinige Lösung sein.
Wir brauchen eine grundlegende Mobilitätswende in Reinickendorf und nicht nur
eine bloße Antriebswende. Hierfür benötigen wir in erster Linie eine fuß- und
fahrradverkehrsfreundliche Stadtplanung mit kleinteiligen Strukturen, kurzen
Wegen und einer dezentralen Nahversorgung.
Wir wollen eine Elektromobilität in Reinickendorf in Form von E-Fahrrädern, E-
Lastenrädern, E-Carsharing, E-Bussen, Tram und U-Bahn sowie S-Bahn. Dies ist die
Elektromobilität, wie wir sie meinen. Wir können so erreichen, dass die Menschen
in Reinickendorf nicht zwingend auf das eigene E-Auto angewiesen sind.
Eine Planung, die Elektro-Autos einseitig privilegiert und somit falsche Anreize
setzt, z.B. durch die Freigabe der Busspuren oder zusätzliche Parkplätze, lehnen
wir ab. Der öffentliche Raum muss in Reinickendorf zukünftig gerechter
aufgeteilt werden, dies insbesondere durch die Schaffung von öffentlichen
Abstell- und Lademöglichkeiten für E-Fahrräder.
- Wirtschaftsverkehr
Wirtschaftsverkehr ist vielfach notwendiger Verkehr, damit unsere Stadt
funktioniert. Aber er kann und muss effizienter und flächensparender organisiert
werden. LKW, die in zweiter Reihe be- oder entladen, oder auch die vielen
Lieferfahrzeuge der Paketdienste werden zu Recht als Ärgernis empfunden.
Wir fordern: In Einkaufsstraßen und Ortsteilzentren müssen ausreichend Liefer-
und Ladezonen eingerichtet werden. Dafür müssen Parkplätze entfallen. Auch
Einzelhandel oder Gastronomie haben nichts von Dauerparkern, die wertvolle
Flächen an besonders stark frequentierten Orten blockieren. Hier soll nur noch
das kurze Halten zum Ein- und Aussteigen sowie Be- und Entladen möglich sein.
Und auch Reinickendorf braucht Mikrodepots für Paketdienste, von wo aus die
letzte Meile mit Lastenfahrrädern organisiert wird.
- Verkehrsberuhigung in Wohnkiezen
Wohnkieze sind für die Menschen da, die dort wohnen. Diese haben ein Recht auf
Ruhe und gute Luft. Insbesondere Kinder müssen sich sicher auf der Straße
bewegen können, auch ein Nachbarschaftsplausch muss möglich sein.
Wohnstraßen sind Lebensraum. Deshalb sollten sie von Durchgangsverkehr befreit
sein, der auf den Hauptverkehrsstraßen gebündelt werden soll.
Um Wohnkieze für den Durchgangsverkehr unattraktiv zu machen, gibt es ein Bündel
bekannter Instrumente, die wir endlich auch in Reinickendorf anwenden wollen:
Diagonalsperren und andere Modalfilter, gegenläufige Einbahnstraßen oder lange
Engstellen und andere bauliche Maßnahmen, die mehr Platz für Stadtgrün und
Aufenthaltsmöglichkeiten auf die Straße bringen. Dazu gehört z.B. auch die
Einrichtung temporärer Spielstraßen unter Mitwirkung der Anwohnenden.
Grundsatz muss sein: Autos können nur dort aus einem Wohnviertel ausfahren, wo
sie auch eingefahren sind. Damit wird Durchgangsverkehr gleich draußen bleiben.
Dazu gehört aber auch: Anwohner*innen können dann nur in einer Richtung das
Wohngebiet verlassen und müssen dann ggf. Umwege in Kauf nehmen, sofern sie
unbedingt mit dem Auto unterwegs sind.
Wie genau und mit welchen Mitteln Wohngebiete beruhigt werden sollen, möchten
wir für jeden einzelnen Kiez in Bürger*innen-Werkstätten mit den jeweiligen
Anwohner*innen erarbeiten.
- Parkraummanagement und Parkraumpolitik
In Reinickendorf sind wichtige Zentren, U- und S-Bahn-Stationen und viele
Wohngebiete nahezu permanent zugeparkt. Anwohner*innen finden in ihrer
Wohnstraße bzw. –viertel kaum Parkraum. Die Kurzzeitparkzonen funktionieren
nicht, da sie vom Bezirksamt nicht ausreichend überwacht werden.
Wir brauchen daher endlich auch in Reinickendorf ein funktionierendes
Parkraummanagement, das allen berechtigten Interessen gerecht wird und den
öffentlichen Raum gerecht verteilt. Parkraummanagement besteht für uns aus zwei
Komponenten: Parkplatzumwandlung und interessensgerechte
Parkraumbewirtschaftung.
Es gibt kein Recht darauf, sein Fahrzeug zu jeder Zeit an jedem Ort des Bezirks
kostenlos abstellen zu dürfen. Es gibt jedoch ein Recht auf eine vernünftige und
weitsichtige Parkraumpolitik, welche die unterschiedlichen Verhältnisse in den
einzelnen Ortteilen im Blick hat. Das Bezirksamt darf sich diesem nicht weiter
verweigern und sich aus ideologischen Gründen gegen die Einführung von
Parkraumbewirtschaftung sperren und einfach nichts tun.
Eine vernünftige Parkraumpolitik schaut sich die konkrete Situation in den
einzelnen Ortteilen genau an und entscheidet im Einzelfall. Gerade in
Ortsteilzentren mit Einzelhandel, ob am Kurt-Schumacher-Platz oder in
Konradshöhe, brauchen wir Lösungen des Parkraummanagements, um den öffentlichen
Raum besser aufzuteilen. Gleiches gilt auch für Flächen rund um U- und S-
Bahnhöfe, wo belebter Raum nicht bevorzugt für private Pendlerparkplätze genutzt
werden sollte. Wir schaffen hierdurch mehr Raum für Rad- und Fußverkehr sowie
den notwendigen Liefer- und Ladeverkehr. Die Aufenthaltsqualität für alle wird
verbessert.
Mit „Abzocke“ hat dies alles nichts zu tun. Ein gutes Parkraummanagement sorgt
vielmehr dafür, dass Anwohner*innen und Kurzzeitbesucher tatsächlich zügig einen
Parkplatz finden, so dass unnötiger Parksuchverkehr vermieden wird.
Dies alles geht nicht ohne gleichzeitige Umwandlung bisheriger Kfz-Stellplätze
für bessere Nutzungen z.B. für breitere Gehsteige nicht nur in den Zentren, für
sichere Radverkehrsanlagen einschließlich Abstellanlagen, für Busspuren zur
Beschleunigung des ÖPNV und für komfortable Aufenthalts- und Begegnungsflächen.
Für den Klimaschutz brauchen wir mehr Grünflächen und Straßenbäume, damit unsere
Stadt nicht überhitzt. Und warum sollten in Wohngebieten nicht Spielgeräte für
Kinder auf früheren Parkplätzen stehen?
Genau dafür treten wir ein und werden es für jeden Ortsteil Reinickendorfs, für
jedes Zentrum, für jedes Wohn- und jedes Gewerbegebiet abhängig von den
Örtlichkeiten und dem Bedarf planen und umsetzen.
Es gilt: Unsere Straßen sind öffentlicher Raum für alle. Die individuelle
Nutzung darf nicht vom Besitz eines eigenen Autos abhängig sein.
Zukunft wird aus Mut gemacht.
Wir haben den Mut, die Mobilitätswende in unserem Bezirk anzugehen.
Wir treten entschlossen ein für moderne Mobilität und damit für Klimaschutz, für
saubere Luft und effektiven Lärmschutz und für die Rückeroberung des
öffentlichen Raumes zugunsten der Menschen, die dort wohnen, und damit auch für
die Vermeidung von Toten und Verletzten im Straßenverkehr!